Landesparteitagsantrag

Extremist*innen vom Schöffenamt fernhalten

Um dem Regelungsgehalt von Artikel 20 GG praktisch wirksam Rechnung zu tragen
und unsere Justiz vor der Unterwanderung durch Extremistinnen und Extremisten zu
schützen, setzen wir uns für eine Nachschärfung der rechtlichen Vorgaben zur
Wahl und zur Tätigkeit von Schöff*innen ein. BÜDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-
Holstein betont die Bedeutung der Tätigkeit ehrenamtlicher Richter*Innen in der
Justiz. Ehrenamtlicher Richter*innen tragen maßgeblich dazu bei, das Vertrauen
der Bevölkerung in die Justiz zu stärken und das Verständnis für die
Rechtsprechung zu fördern. Ihr ehrenamtliches Engagement ist von großer
Verantwortung und gesellschaftlicher Relevanz geprägt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
setzt sich entscheiden für eine Verhinderung eines Missbrauchs dieses wichtigen
Instituts ein.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein befürwortet Bestrebungen zur Änderung
des Deutschen Richtergesetzes (DRiG), um die Ausschlussgründe verbindlich zu
regeln (sog. Muss-Vorschrift) und klar festzulegen, dass ehrenamtliche
Richter*innen abberufen werden müssen, sobald ein Ausschlussgrund bekannt wird.

Bis zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) strebt BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN Schleswig-Holstein eine Änderung des Landesrichtergesetzes (LRiG) an, um
nach dem Vorbild Baden-Württembergs einen Ausschlussgrund bei der Berufung
ehrenamtlicher Richter*innen zu schaffen, wenn die Person nicht die Gewähr dafür
bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des
Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Landes
Schleswig-Holstein einzutreten.

Um Extremist*innen vom Amt als ehrenamtliche Richter*innen fernzuhalten, fordert
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein folgende Maßnahmen:

  1. Die Verfassungstreue der Bewerber*innen kann vor der Ernennung von Amts
    wegen überprüft werden.
  1. Bewerber*innen müssen sich schriftlich zur freiheitlich-demokratischen
    Grundordnung bekennen.

Begründung

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Artikel 20 Grundgesetz

Ehrenamtliche Richter*innen (auch genannt Schöff*innen oder Laienrichter*innen) wirken mit den gleichen Rechten und Pflichten wie die Berufsrichter*innen bei der Urteilsfindung mit. Ihre Stimme hat Gewicht, sie können sogar den*die Berufsrichter*in überstimmen.

Unterschiedliche rechte Vereinigungen rufen laut Medienberichterstattung ihre Mitglieder dazu auf, zu kandidieren.

Durch ein zweistufiges Verfahren werden die ehrenamtlichen Richter*innen gewählt (vgl. §§ 30 ff. GVG). Zuerst erstellen die Gemeinden oder Jugendhilfeausschüsse (§ 35 JGG) Vorschlagslisten. Interessierte Personen können sich selbstständig bewerben oder von gesellschaftlichen Organisationen vorgeschlagen werden. Die Einreichung von Namen, Alter, Beruf und Kontaktdaten genügt hierbei.

Die Gemeindevertretung oder der Jugendhilfeausschuss haben die Verantwortung, die Vorschlagslisten ordnungsgemäß zu erstellen und sicherzustellen, dass nur geeignete Bewerber*innen aufgenommen werden, die den Anforderungen des Amtes gerecht werden. In einem zweiten Schritt werden die Vorschlagslisten öffentlich ausgelegt. Jede*r Bürger*in hat die Möglichkeit, Einwände gegen die Vorschläge zu erheben, wodurch eine Kontrollinstanz geschaffen wird. Gemeinsam mit den Einwänden werden die Listen dann an die Amtsgerichte weitergeleitet, wo ein spezieller Wahlausschuss die zukünftigen Schöffen auswählt.

Bislang existieren gem. § 44a Absatz 1 DRiG zwei Ausschlussgründe zum Amt eines*einer ehrenamtlichen Richters*Richerin, und zwar zum einen den Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit (Nr. 1) und zum anderen die Mitarbeit beim Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR (Nr. 2). Diese Ausschlussgründe sind allerding als sog. Soll-Vorschrift gestaltet. Eine Soll-Vorschrift bestimmt, dass in der Regel ein bestimmtes Verhalten befolgt werden soll, es aber nicht zwingend vorgeschrieben ist. Es gibt also ein gewisses Ermessen in ihrer Anwendung.

In § 44a Absatz 2 DRiG gibt es auch die Möglichkeit, dass die für die Berufung zuständige Stelle von dem Vorgeschlagenen eine schriftliche Erklärung verlangen kann, dass bei ihm die Ausschlussgründe nicht vorliegen. Es liegt also wieder nur ein gewisses Ermessen in der Anwendung und es wird zudem nur eine einfache schriftliche Erklärung verlangt.

Nach § 44b DRiG kann ein ehrenamtlicher Richter auch nur abberufen werden, wenn nachträglich die Ausschlussgründe bekannt werden. § 44b Absatz 1 DRiG zielt also von seinem Wortlaut und Zweck auf Tatsachen aus der Vergangenheit ab. Späteres Verhalten wird nicht berücksichtigt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegen nicht nur hauptamtliche, sondern auch ehrenamtliche Richter*innen einer Pflicht zur besonderen Verfassungstreue. Dies folgt aus ihrer Funktion als den hauptamtlichen Richter*innen gleichberechtigte Organe genuin staatlicher Aufgabenerfüllung (BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 6.0.52008 – 2 BvR 337/08 –). An einer gesetzlichen Kodifizierung fehlt es bislang allerdings.

Baden-Württemberg hat mit Beschluss des Landtags v. 12.07.2023 (Drs. 17.5051) ihr Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes dahingehend geändert.

Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht eine Änderung des DRiG vor: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/2023_Aenderung_DRiG_6.ht-ml

Gremium:
Landesparteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein

Behandelt am
23. September 2023

Ergebnis:
Beschlossen bei
Enthaltungen: 3